Die Schmuckdesignerin, Kolumnistin und Botschafterin von Bulgari Sabine Getty hat Schweizer Wurzeln. (Bild: PD)

Die Schmuckdesignerin, Kolumnistin und Botschafterin von Bulgari Sabine Getty hat Schweizer Wurzeln. (Bild: PD)

Interview

Bulgari-Botschafterin Sabine Getty: «Corona hat mich dazu gebracht, Adiletten zu tragen»

Andrea Bornhauser Schmuck
Die schweizerisch-britische Designerin und Kolumnistin ist wegen ihres Stils eine Botschafterin des Schmuckhauses Bulgari. Ein Gespräch mit der 37-jährigen Kosmopolitin über ihre arabischen Wurzeln, die Faszination für Haute Joaillerie und das Umweltbewusstsein ihrer kleinen Tochter.

NZZ Bellevue: Sabine Getty, Ihre erste Erinnerung an Schmuck?

Sabine Getty: Als Kind lebte ich eine Zeitlang in Beirut in Libanon, der Heimat meines Vaters. In den achtziger Jahren trugen meine Mutter und ihre Freundinnen den unglaublichsten Schmuck. Die Frauen dort lieben grosse Stücke, sie tragen viel davon und jeden Tag. Ganz anders als in Europa, wo man teuren Schmuck nur zu speziellen Anlässen hervornimmt.

Wie tragen Sie Ihren Schmuck heute?

Nicht so episch, aber auch jeden Tag. Etwa meine Fingerringe aus der B.Zero-Kollektion von Bulgari. Einfach zu Jeans und einem T-Shirt. An einem Event hingegen trage ich gerne Statement-Schmuck zur glamourösen Robe. Aber nie ein vollständiges Set, entweder die Ohrringe oder das Collier, damit der Look nicht übertrieben wirkt.

Wie kam Ihre Zusammenarbeit mit Bulgari zustande?

Ich war schon immer ein grosser Fan der Marke. Meine Mutter trug viel Bulgari-Schmuck. Ich war deshalb sehr geschmeichelt, als mich das Juwelierhaus anrief, um zu fragen, ob ich ihre Markenbotschafterin werden möchte.

Sabine Getty trägt ein Collier aus der High-Jewellery-Kollektion Magnifica von Bulgari. (Bild: PD)

Sabine Getty trägt ein Collier aus der High-Jewellery-Kollektion Magnifica von Bulgari. (Bild: PD)

Wie lautet Ihre Job-Beschreibung?

Meine Aufgabe ist es, zu zeigen, wie eine Frau in meinem Alter den Schmuck dieses doch 137-jährigen Traditionshauses tragen und kombinieren kann.

Seit 2012 entwerfen Sie eigenen Schmuck. Wie kam es, dass Sie Gemmologin wurden?

Ich habe wohl zu viele alte Hollywoodfilme geschaut, in denen Divas wie Elizabeth Taylor wahnsinnigen Schmuck getragen haben. Ich wollte ebenfalls Schmuck kreieren, der Stoff für Träume liefert. Deshalb ging ich nach meinem Theater- und Opernstudium nach New York ans Gemological Institute of America (GIA) und lernte, wie man Diamanten klassifiziert und Schmuck entwirft. Gleich nach dem Abschluss stellte ich meine erste Schmuckkollektion zusammen.

Was passierte dann?

Es funktionierte von Beginn an gut. Ich entwarf Schmuck wie andere Modekollektionen: Jede neue Saison war wie ein neuer Film, mit einer anderen Mood, für eine andere Frau. Diese Variabilität ist nicht üblich in der Schmuckwelt. Was meine Kollektionen verbindet, ist der Vintage-Style. Dieses Antike, bewusst Unperfekte, Rohe und Charmante. Und: Meine Schmuckstücke sind alle sehr farbenfroh. Deshalb gefallen mir auch Bulgari-Stücke: Für mich sind sie das Nonplusultra, wenn es um farbige Steine geht.

Wo finden Sie Inspiration?

Überall, wo Kreativität sichtbar wird. Vor allem in dekorativen Kunstformen. Meine erste Kollektion war inspiriert von einem Reliquien-Kästchen aus dem Mittelalter. Dann waren es Memphis-Möbel, die Architektur aus den Achtzigern oder der Art-déco-Stil der Jahrhundertwende.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Momentan sehr entspannt, da meine Schmucklinie pausiert. Neben meinen Aufgaben für Bulgari schreibe ich für das britische «Tatler»-Magazin eine Kolumne. Ich darf die Themen selbst wählen. Kürzlich schwärmte ich über die Musik-Ikonen meiner Jugend: Whitney Houston, Cher und Céline Dion. Davor habe ich ein Stück über Beirut und die Explosion von letztem Jahr geschrieben.

Wie vereinen Sie Ihre westlichen und arabischen Wurzeln?

Mein Vater ist aus Libanon und meine Mutter aus Ägypten. Aufgewachsen bin ich in Genf, ich ging an ein französischsprachiges Gymnasium. Die frankofone Kultur prägt mich wohl am meisten. Trotzdem fühle ich mich nirgends richtig zugehörig und oft als Fremde. Eine eigenartige Art zu leben, ein bisschen wie ein Hybrid. Aber ich glaube, so geht es vielen Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln. Das empfinde ich aber durchaus positiv, weil ich dadurch offener mit anderen Kulturen umgehen kann. Etwa mit der östlichen, allein schon, weil ich arabisch spreche.

Ihr persönlicher Stil?

In einem Satz zusammengefasst ist es ein Alles-oder-nichts-Style. Ich bin wohl die faulste Person, die Mode liebt. Es ist seltsam, aber wenn mich ein Outfit mehr als zwei Minuten nachdenken lässt, resigniere ich. Darum ziehe ich jeden Morgen dasselbe an. Aber es sind eben die Jeans, das Shirt oder der Pullover. Weil ich schon so vieles ausprobiert habe über die Jahre, weiss ich genau, was perfekt ist für mich. Ich habe meine Uniform gefunden und bin quasi ein Steve Jobs der Modewelt.

Wie hat der Lockdown Ihren Stil verändert?

Corona hat mich dazu gebracht, Adiletten zu tragen. Ausserdem hat sich meine Anzahl an Pyjamas verdoppelt. Ich besitze unterdessen sicher zwanzig weisse Pyjamas von Hanro. Und ich trage weniger Farben als früher, sondern mehr Schwarz und Weiss und Camel.

Wie ist es, wieder an Events zu gehen?

Es macht mir so viel Spass, mich wieder herauszuputzen. Das Leben ist endlich zurück.

Sie und Ihr Mann waren auf dem dritten Platz der Tatler Social Power-List, welche die Briten mit dem meisten gesellschaftlichen Einfluss auflistet, nach Prince William und Kate Middleton und Idris Elba und seiner Frau. Wie fühlte sich das an?

Aussergewöhnlich, wenn man bedenkt, dass ich unter immenser Soziophobie leide. Es ist für mich jedes Mal herausfordernd, zu einem Anlass zu gehen. Deshalb fand ich die Ernennung schmeichelhaft und amüsant zugleich. Dass eine so ängstliche Person wie ich so oft an Events eingeladen wird.

Ist Instagram eine gute Möglichkeit, um am sozialen Diskurs, aber nicht an Events teilnehmen zu müssen?

Exakt! Instagram ist so praktisch, weil ich mich dort ausdrücken kann, ich kann meine liebsten Designer, Künstler und Inspirationen präsentieren. Eine grossartige Option, mit meiner Community zu kommunizieren, ohne Leute treffen zu müssen. Obwohl mich dann ja die Frage umtreibt, ob mein Post gut ankommt und genügend Likes erhält. Die Angst transformiert sich sozusagen einfach in ein anderes Format.

Ihr Style-Vergleich zwischen Genf und London?

Wie zwei Planeten! Genf ist unglaublich chic, mit vielen Ladys, die beige Cashmeremäntel von Loro Piana tragen. Ich liebe diese traditionelle Eleganz der Genfer Society. London ist anders, mehr Rock and Roll und Boho-Chic. Viel eklektischer, die Leute sind echt kreativ bei ihren Outfits und mischen Stile.

Auf Ihrem Instagram-Kanal sieht man Ihre Tochter Plastikmüll einsammeln am Strand. Woher hat sie ihr Umweltbewusstsein?

Nicht von mir. Ehrlich gesagt folge ich da ganz ihrem Lead. Meine Tochter sagt mir die ganze Zeit, ich solle keine Plastikflaschen in den Müll werfen, sondern diese wiederverwenden. Es macht sie wütend und traurig, wenn in den Strassen Abfall herumliegt.

Woher kommt das?

Natürlich ist Umweltschutz auch in unserer Familie ein Thema. Die Hintergründe und wie ernst es um unseren Planeten steht, das weiss sie aber aus der Schule. Neulich in einem öffentlichen WC, das sehr schmutzig war, legte ich alles mit Papiertüchern aus. Da sagte meine Tochter: «Was du da tust, ist nicht gut für die Umwelt!» Ich habe so viele schlechte Angewohnheiten, auf die meine Tochter mich aufmerksam macht.

Was haben Sie von Ihren beiden Kindern sonst noch gelernt?

So vieles! Den Moment zu geniessen etwa. Ich kann nicht mit meinem Smartphone beschäftigt sein, während ich mit ihnen ein Puzzle mache. Sie lehren mich auch, verspielt zu sein, die Welt mit Kinderaugen zu sehen. So sieht eine Wolke plötzlich wie ein Elefant aus. Und sie lehren mich durch ihre Fragen, ihnen die Welt zu erklären. Ich rede mit meinen Kindern, als ob sie Erwachsene wären.

Was hat Sie die Pandemie gelehrt?

Dass ich mich nicht mehr in Situationen begeben möchte, die sich nicht richtig anfühlen für mich. Durch die viele Zeit zu Hause wurde mir bewusst, was mir guttut und was nicht. Da ist diese neue Verbundenheit mit mir. Das heisst, ich werde auch einmal einen Event auslassen, der unnötig ist.

Worauf freuen Sie sich?

Aufs Kreativsein! Ich möchte meine Ideen, die ich im letzten Jahr hatte, endlich in Projekten umsetzen können. Wie etwa in meiner anstehenden Bademode-Kollaboration. Und natürlich bald wieder in meinem Schmuck.