Firmenjubiläum in Herrsching:Mehr als eine Milliarde Sekunden

Firmenjubiläum in Herrsching: Seit 50 Jahren führen Helga und Frank Grosse ihr Juweliergeschäft in Herrsching.

Seit 50 Jahren führen Helga und Frank Grosse ihr Juweliergeschäft in Herrsching.

(Foto: Arlet Ulfers)

Helga und Frank Grosse verkaufen und reparieren seit 50 Jahren Uhren. Doch ihre Zeit läuft ab: Die Kundschaft und ihr Verhältnis zu Zeitmessern hat sich drastisch verändert.

Von Nikolai Vack, Herrsching

Ein Ort, an dem die Zeit scheinbar stehen geblieben ist - so fühlt es sich jedenfalls an, wenn man den Laden von Frank und Helga Grosse in Herrsching betritt. Das ist in ihrem Fall auch nicht nur so daher gesagt, es passt sogar wunderbar ins Konzept. Denn dort landen viele Uhren, denen genau das widerfahren ist: Sie sind stehen geblieben.

Geht es um Uhren und Schmuck in Herrsching, dann ist man bei den Grosses an der richtigen Adresse - und das seit 50 Jahren. Als der gelernte Goldschmied im Jahr 1973 das Geschäft in der Mühlfelder Straße von seinem Vorgänger übernahm, war er 30 Jahre alt. Nun, ein halbes Jahrhundert später, ist er noch immer für seine Kundschaft da, wenn auch ein paar Hausnummern weiter - das Gebäude, in dem sich das Unternehmen ursprünglich befand, ist vor 13 Jahren abgerissen worden.

Wer die Tür zu seiner Arbeitsstätte in der Mühlfelder Straße 22 öffnet, wird von einer deutlich läutenden Klingel angekündigt. Im Hintergrund läuft das Radio, Bayern 1. "Es ist aber keineswegs so, dass ich mich bei der Arbeit volldudeln lassen muss", betont Grosse im Laufe des Gesprächs und stellt das Gerät demonstrativ ab.

Sein Handgelenk ziert eine "Baume & Mercier" - eine Aufzugsuhr. Auf die Frage, wie lang er diese schon habe, antwortet er: "Überhaupt nicht lang. Das ist nämlich nicht meine, sondern eine Kundenuhr, die ich gerade gerichtet habe." Nun prüfe er, ob sie wieder funktioniert. Dafür könne man natürlich die Maschine hernehmen, oder noch einfacher: "Man trägt sie einfach ein paar Tage selbst und schaut dann, ob sie wieder richtig läuft."

Firmenjubiläum in Herrsching: Frank Grosse repariert Jahresuhren.

Frank Grosse repariert Jahresuhren.

(Foto: Arlet Ulfers)
Firmenjubiläum in Herrsching: Auch Stand- und Wanduhren überholt er in seiner Werkstatt.

Auch Stand- und Wanduhren überholt er in seiner Werkstatt.

(Foto: Arlet Ulfers)
Firmenjubiläum in Herrsching: Frank Grosse prüft ein Ringmaß.

Frank Grosse prüft ein Ringmaß.

(Foto: Arlet Ulfers)

Auch von hochwertigeren Uhren ließ sich Frank Grosse bislang nicht einschüchtern. "Ich habe schon Rolex, Omega und Jaeger-LeCoultre repariert", sagt er. "Aber da war keine aufregender als die andere." Wer heutzutage eine Rolex erwerben will, muss je nach Modell teils mit erheblichen Wartezeiten rechnen. Der Herrschinger Uhrenmacher hält den Hype um die Rolex allerdings für übertrieben. "Wer die Zeit dazu hat, auf eine Uhr zu warten, nur um von dieser die Zeit abzulesen, der soll das machen", sagt er mit sarkastischem Unterton.

Der Herrschinger ist kein Mann, der eine Vitrine voller besonderer Uhren zu Hause stehen hat. Auf die Frage, ob er selbst denn ein Uhren-Freak sei, kommt ein entschlossenes "Nein" wie aus der Pistole geschossen. "Ich bin kein Uhrensammler", sagt er. "Ich bin froh, wenn sie weg sind. Denn das bedeutet, dass ich sie verkauft habe und damit Geld reinkommt." Er habe aber eine Sonntagsuhr, verrät er: Eine betagte Omega, die er für besondere Anlässe rausholt.

Firmenjubiläum in Herrsching: An seinem Arbeitsplatz im Erdgeschoß des Ladens repariert Frank Grosse Uhren mit der Kopfbandlupe.

An seinem Arbeitsplatz im Erdgeschoß des Ladens repariert Frank Grosse Uhren mit der Kopfbandlupe.

(Foto: Arlet Ulfers)

Der Blick wandert durch den kleinen Raum und fällt auf zwei Wanduhren: Eine seiner Hauptbeschäftigungen besteht etwa darin, antike Wand- und Standuhren zu reinigen und zu überholen. Kürzlich sei er mit der Überholung eines Wiener Seilzugregulators beauftragt worden - eine seltene Antiquität. "Das hat dann schon vier Monate gedauert", sagt der Uhrenmacher. Denn viele Ersatzteile solcher Raritäten seien mittlerweile nur schwer aufzutreiben.

Auf der linken Seite abseits des Tresens führt eine Treppe hinunter in die Werkstatt des gelernten Goldschmieds. Dort ist er die meiste Zeit mit einer Lupe auf seinem Haupt zu sehen, eine Kopfbandlupe. Wenn er sie aufsetzt, lässt diese seine Augen um ein Vielfaches größer erscheinen. "Mein wichtigstes Werkzeug", beteuert er. Wie ein Chirurg inspiziert er dort das Innere des zu reparierenden Uhrwerks - ein Vergleich, der seines Erachtens aber zu weit geht. "Da kann nicht besonders viel schief gehen", entgegnet der Uhrenmacher gelassen. "Ich nehme die Uhr komplett auseinander, dann richte ich die Räder ein, erneuere die Lager und Lagerstifte - und baue zum Schluss alles wieder zusammen."

"Ich bin auch froh, wenn ich mal eine Batterie wechsle", sagt Grosse

Es muss aber auch nicht immer anspruchsvoll sein: "Ich bin auch froh, wenn ich mal eine Batterie wechsle", sagt der Herrschinger. "Das geht schnell und gibt Geld", fügt er grinsend hinzu. Doch auch dieser Geschäftszweig gehe zurück. Das Armbanduhrengeschäft habe sich über die vergangenen Jahrzehnte drastisch verändert, holt Grosse aus, und das vorherige Grinsen weicht einem eher ernsten Gesicht. "Früher haben sich die Leute Uhren gekauft, die lange leben", erklärt er. Heutzutage ist es anders: "Eine Reparatur lohnt sich häufig gar nicht mehr", sagt der 80-Jährige, "denn die Uhren sind zu billig geworden." Da werde dann höchstens die Batterie gewechselt. Und wenn das auch nichts hilft, dann lande die Uhr eben im Müll, bedauert er.

Die Verschiebung des Marktes ins Internet hat - wie so vielen im Einzelhandel - auch Frank Grosse einen Schlag versetzt. Daraufhin habe er den Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf die Reparatur und Umarbeitung von Uhren und Schmuck gelegt. Dass bei ihm das Geschäft überhaupt noch läuft, verdanke er vornehmlich seiner Stammkundschaft. "Es ist schon fast eine soziale Funktion, die ich da habe", sagt Grosse. "Ich richte viele Gegenstände, deren Reparatur sich eigentlich nicht mehr lohnt. Aber die Leute hängen daran. Also mache ich es eben."

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