Wie hat sich das Diamantgeschäft verändert? Ein Zürcher Händler erzählt

Jüngere Generationen haben einen anderen Begriff von Schmuck als ihre Eltern und Grosseltern. Das bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Nachfrage nach Diamanten.

Ermes Gallarotti
Drucken

An der Zürcher Bahnhofstrasse herrscht Endzeitstimmung. Die einstmals noblen Läden sind verbarrikadiert, Müll liegt auf der Strasse, da und dort verbrennen verhärmte Gestalten Abfall in Mülltonnen, um sich die Hände zu wärmen. Am Paradeplatz stehen zu Skeletten abgemagerte Banker in ihren abgewetzten Wintermänteln in einer langen Schlange. Sie hoffen, in der zur behelfsmässigen Armenküche umfunktionierten Eingangshalle der ehemaligen Credit Suisse eine warme Kartoffelsuppe zu ergattern.

Wer in einer derart aussichtslosen Situation, in der alle Strukturen zusammengebrochen sind und jeder auf sich selbst gestellt ist, einen Diamanten in den Saum seiner Jacke eingenäht hat, kann sich die besten Chancen ausrechnen, diesem Inferno zu entkommen. Denn Diamanten sind die härteste Währung, die es gibt. Kein anderer Sachwert ist derart mobil und speichert auf so engem Raum so viel Wert. Ein zum Brillanten geschliffener Diamant mit einem Gewicht von zwei Karat (0,4 Gramm), der in Sachen Reinheit und Farbe höchsten Ansprüchen genügt, kann gut 50 000 Fr. kosten. Das entspricht derzeit ungefähr dem Preis eines Kilogramms Gold.

Schwächelnde Nachfrage

Und trotzdem: Der Diamantenmarkt macht schwierige Zeiten durch. Gemäss einer Studie des Beratungsunternehmens Bain schwächelt die Nachfrage nach den Edelsteinen. Deren Preise bröckeln seit einem 2011 erreichten Zwischenhoch tendenziell ab. Dafür gibt es mehrere Gründe. Der wohl wichtigste: Jüngere Generationen haben ein anderes Verständnis von Schmuck als ihre Eltern und Grosseltern. Für sie sind Piercings oder Tattoos durchaus Alternativen zu Edelsteinen. Sie setzen auch weniger Gewicht auf Qualität, sind preisbewusst und nutzen immer öfter Online-Kanäle, um einzukaufen. Schmuckanbieter bekunden einige Mühe mit dem Trend zur Digitalisierung, der neuen Kundenbedürfnissen Rechnung trägt und ihr traditionelles Geschäftsmodell untergräbt.

Der «Blaue Mond» ist einer der seltensten Diamanten. (Bild: Mario Anzuoni  / Reuters)

Der «Blaue Mond» ist einer der seltensten Diamanten. (Bild: Mario Anzuoni  / Reuters)

Die Änderungen im Käuferverhalten bekommt auch ein Zürcher Diamantenhändler zu spüren, der viel Wert auf Diskretion legt und deshalb anonym bleiben will. Anders als in früheren Zeiten verkauft er heute weniger kleine Steine an seine Kunden, in erster Linie Goldschmiede, Juweliere, Kleinbetriebe in der verarbeitenden Industrie. Dafür kommt es angesichts der niedrigen Zinsen und des damit einhergehenden Anlagenotstandes öfter vor, dass zahlungskräftige Kunden ausgesuchte grössere Diamanten erwerben – zum Teil um ihre Kaufkraft zur Schau zu stellen und das eigene Ego zu befriedigen, aber auch um in Diamanten als alternative Anlagen zu investieren. Der Diamantenhändler rät dezidiert davon ab, Edelsteine als eigenständige Anlagekategorie zu betrachten. Statt auf Preissteigerungen zu spekulieren, sollte man, so sein Rat, langfristig denken und auf ihre Wertbeständigkeit setzen.

Diamanten haben nicht nur mit veränderten Schmuckbegriffen und neuen Modeströmungen zu kämpfen. Als weitere Erschwernis erweist sich die Intransparenz dieses Marktes. Für einen Käufer ist es schwierig, Gewissheit über die Herkunft eines Edelsteins zu erlangen. Zwar hat man viel getan, um den Handel mit sogenannten Blutdiamanten zu unterbinden. Darunter fallen Edelsteine, die meist illegal in Konfliktgebieten geschürft und verkauft werden, um Konfliktparteien zu finanzieren.

Zwar haben sich Anfang 2003 Regierungen, die Diamantindustrie und zivile Organisationen in dem sogenannten Kimberley-Prozess darauf geeinigt, mittels staatlicher Herkunftszertifikate den Diamantenschmuggel zu verhindern. Aber das Problem dieses Selbstregulierungsmechanismus bleibt, dass er keine bindende Wirkung entfaltet, kaum Sanktionsmöglichkeiten bietet und Herkunftszertifikate nur schwer zu überprüfen sind. Umso empfehlenswerter ist es, Diamanten nur bei vertrauenswürdigen Fachhändlern zu kaufen.

Aus dem Labor

Und nicht zuletzt erwächst Diamanten Konkurrenz in den eigenen Reihen. Heute ist es möglich, im Labor kostengünstig synthetische Diamanten herzustellen, die mineralogisch mit Naturdiamanten identisch sind. Zwar ist ihr Marktanteil heute noch klein. Sollten synthetische Diamanten, die von Laien nur schwer von natürlich gewachsenen Steinen zu unterscheiden sind, bei der Käuferschaft an Akzeptanz gewinnen, könnten sie zu einer valablen Alternative avancieren. Dies auch deshalb, weil sie mit einiger Sicherheit nicht aus Konfliktgebieten stammen.

In ideeller Hinsicht aber bleibt ein in der Natur gewachsener Diamant etwas Besonderes. Seine Seltenheit schützt ihn zudem vor Preiszerfällen, wie sie bei beliebig vermehrbaren synthetischen Steinen denkbar sind. Letztere eigenen sich denn auch nicht zur langfristigen Wertsicherung.

«A diamond is forever» – diese Einsicht hat Minenbetreibern, Verarbeitern und Schmuckproduzenten fast über das gesamte vergangene Jahrhundert hinweg ein beständiges Wachstum beschert. Das ist nun vorbei. Ob allein höhere Marketingausgaben, wie sie die Branche gemäss der Bain-Studie plant, eine Wende zum Besseren bringen werden, ist fraglich. Das wird kaum genügen, um den branchenweiten Umbruch zu bewältigen.