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Blut oder Frieden?

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Jeder will ein Stück: Mit einer Größe von 702 Karat ist der Stein einer der größten jemals gefundenen Diamanten.
Jeder will ein Stück: Mit einer Größe von 702 Karat ist der Stein einer der größten jemals gefundenen Diamanten. © rtr

Eigentlich sollte der Fund eines Riesendiamanten für ein kleines Dorf in Sierra Leone ein Segen sein. Doch daraus wurde nichts: Wieder wird um den Edelstein gestritten, wieder gehen die Bewohner leer aus.

Fremde werden in Kordyardu, wie in den meisten afrikanischen Dörfern, eigentlich zuvorkommend behandelt. Doch Jeremiah Kombah scheint der Sinn für Gastfreundschaft abhanden gekommen zu sein: „Du bist nicht der erste Journalist, der hier herkommt“, faucht der Grundschullehrer einen Reporter der Deutschen Welle an, „nur von unserem Geld sehen wir nichts“.

Ein Jahr ist es her, dass die Bewohner des Dschungeldorfs im Osten des westafrikanischen Kleinstaats Sierra Leone von sagenhaftem Glück heimgesucht wurden: Ihren Schürfern war ein faustgroßer Stein in die Hände gefallen, der sich alsbald als der 15. größte jemals gefundene Diamant herausstellte. Vor Freude schossen in Kordyardu Tanzgruppen aus dem Boden: Fortan sollte jeder Tag ein Festtag sein. Dem Dorf wurde eine glorreiche Zukunft vorausgesagt – befeuert von dem Riesenklunker, dessen Verkauf viele Millionen US-Dollar einzubringen versprach.

Doch ein Jahr später ist von der Euphorie im Dorf nichts mehr zu spüren. „Sie haben unseren Stein gestohlen und gegessen“, schimpft Lehrer Kombah: „Gott im Himmel möge sie zerstören.“

Und dabei dachten die Dorfbewohner, dieses Mal alles richtig gemacht zu haben. Nachdem die Schürfer den 702 Karat großen Edelstein aus dem Fluss gefischt hatten, händigten sie ihn in aller Ehrlichkeit dem Besitzer des Claims, Pastor Emmanuel Momoh, aus. Dieser marschierte mit dem Diamanten wiederum nicht zum Schwarzmarkthändler sondern zum Präsidenten des Landes – dieses Mal sollte alles mit rechten Dingen zugehen.

Bis dato war Sierra Leone für seine „Blutdiamanten“ berüchtigt: Wegen der unglückseligen Edelsteine war es vor der Millenniumswende zum Bürgerkrieg gekommen; ihretwegen fehlt heute vielen, von gierigen Rebellen verstümmelten jungen Sierra Leonern ein Arm oder ein Bein. Der Fluch der Blutdiamanten könne nur gebrochen werden, wenn die Steine ihrem rechtmäßigen Besitzer, dem Staat Sierra Leone, übergeben würden, befand Pastor Momoh: Dann werde sich der Staat endlich auch um Dörfer wie Kordyardu kümmern können. Euphorisch wurde der Stein zum „Friedens-Diamanten“ gekürt.

Der Schatz werde „sauberes Trinkwasser, Elektrizität, Schulen, Krankenhäuser, Brücken und Straßen“ in den Kono Distrikt bringen, zeigte sich Pastor Momoh überzeugt: „Er wird unser aller Leben verändern.“ Auch Präsident Ernest Bai Koroma, der den ehrlichen Gottesmann zu einer übers nationale Fernsehen ausgestrahlten Audienz empfing, sah das so: Fortan würde der glitzernde Segen des Landes zu seiner Entwicklung und nicht mehr zu seinem Ruin beitragen. Die Diamantenindustrie stimmte in den Jubel ein: Schließlich ließ sich so der schlechte Ruf bekämpfen, der den hübschen Steinen inzwischen anhaftete.

„Dies ist ein Diamant mit spirituellem Glitzer“, frohlockte Martin Rapaport, Edelsteins-Qualitätsguru und Chef der Rapaport-Group. Die Klunker-Lobbyisten drehten ein Werbefilmchen über den Peace-Diamanten und schickten Pastor Mamoh auf verkaufsfördernde Welttour: Auf diese Weise sollte der Schaden für den guten Ruf der Steine ausgeglichen werden, den Leonardo DiCaprios „Blood Diamond“ im Jahr 2006 angerichtet hatte. Gott habe den ärmsten Menschen der Welt Diamanten gegeben und dafür gesorgt, dass die reichsten sie wollten, schwelgt Diamanten-Guru Rapaport: „Das macht die Welt zu einem besseren Ort.“ Weder Gott noch Rapaport können dabei Kordyardu im Auge gehabt haben, denn dort erlebten die rund 200 Dorfbewohner mittlerweile eine Enttäuschung nach der anderen. Zunächst teilte ihnen die Regierung mit, dass ihnen nicht etwa 60, sondern nur 40 Prozent des Verkaufserlöses des Friedensdiamanten zustehen würden, weil sie nämlich über keine rechtmäßige Schürflizenz verfügten.

Dann mussten sie zur Kenntnis nehmen, dass ihr Schatz keinesfalls 30 Millionen US-Dollar einbringen würde, wie sie ursprünglich erwartet hatten: Bei einer ersten Auktion in der Hauptstadt Freetown ging nach gut sieben Millionen Dollar keine Hand mehr in die Höhe. Die Versteigerung wurde deshalb später in New York wiederholt: Diesmal wollte sogar keiner mehr über das 6,5-Millionen-Dollar-Angebot des Juwelier-Hauses Laurence Graff gehen. Fachleute erklären das mit der nicht gerade umwerfenden Qualität des Friedensdiamanten. Hätte die Regierung auch dieses Angebot wieder ausgeschlagen, wäre die Summe erfahrungsgemäß nur noch weiter gefallen.

Als Claimbesitzer stand Pastor Momoh der 40-Prozent-Anteil des rohen Klunkers zu: Er sollte also etwas mehr als zweieinhalb Millionen Dollar erhalten haben. Nachfragen können die Dorfbewohner nicht mehr, denn der glückliche Gottesmann geht inzwischen nicht mehr ans Telefon. Kordyardus Dorfchef Komba Nyandomoh ist der Auffassung, dass der Pastor sowohl ihm wie den eigentlichen Findern jeweils knapp 800 000 Dollar schulde. Doch bezahlt habe er gerade mal 26 000, klagt Chief Nyadomoh gegenüber einem deutschen Reporter. Und jetzt ist Momoh offenbar in der Hauptstadt Freetown abgetaucht.

Bereits vor längerer Zeit kam sogar eine Regierungsdelegation nach Kordyardu und forderte die Dorfbewohner auf, schon mal eine geeignete Stelle für ein Hospital auszuwählen. Doch danach seien die Offiziellen nie wieder aufgetaucht, klagt der Dorfchef. Und dabei hätten die Dorfbewohner eigenhändig ein ganzes Areal für die Klinik gerodet.

Auch Paul Garba Saquee V., das traditionelle Oberhaupt der im Diamantengebiet lebenden Tankoro, zeigt sich von dem Vorgang „not amused“. Die Regierung wolle, dass die Bevölkerung den Schmuggel stoppe und die Steine abgebe, sagt der Paramount Chief: „Aber wenn sie dann nichts für die Leute tut, wer wird ihr dann jemals wieder einen Stein bringen?“

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