Mainz:Handelsverband erwartet keinen „Run“ auf Innenstädte

Lesezeit: 3 min

Freude gepaart mit Erleichterung, aber keine Euphorie - so lässt sich die Stimmungslage bei vielen Einzelhändlern in Rheinland-Pfalz umschreiben....

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Mainz/Trier (dpa/lrs) - Freude gepaart mit Erleichterung, aber keine Euphorie - so lässt sich die Stimmungslage bei vielen Einzelhändlern in Rheinland-Pfalz umschreiben. Geschäftsinhaber und der Handelsverband Mittelrhein-Rheinhessen-Pfalz werteten die seit Montag greifenden Lockerungen in der Corona-Krise für Geschäfte positiv. Die Innenstädte im Land füllten sich wieder etwas, den großen Ansturm erwartet der Handelsverband aber vorerst nicht.

„Wir gehen davon aus, dass es langsame Schritte zurück in die Normalität sein werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Thomas Scherer am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. „Aber wir als Verband sind natürlich glücklich über den Einstieg in den Ausstieg.“ Zu begrüßen seien die in Rheinland-Pfalz vergleichsweise großzügigen Regelung, etwa dass auch größere Läden wieder aufmachen dürfen, sofern sie ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter beschränken - anders als etwa in Nordrhein-Westfalen. Das sei diesmal ein Standortvorteil für Rheinland-Pfalz, nachdem die Anträge auf Soforthilfe für Betriebe langsamer bearbeitet worden seien als zum Beispiel in Baden-Württemberg, sagte Scherer.

In der vierten Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz, die am Montag in Kraft trat und bis 6. Mai gilt, heißt es, dass unter anderem Verkaufsstellen des Einzelhandels nicht mehr geschlossen bleiben müssen, sofern die Verkaufsfläche auf bis zu 800 Quadratmeter begrenzt ist. Auch Buchhandlungen, Autohändler und Fahrradhändler durften wieder öffnen, sogar ohne Begrenzung der Verkaufsfläche. Daran gekoppelt sind Hygieneauflagen, so muss es unter anderem Schutzscheiben für Kassenpersonal geben, Desinfektionsmittel muss bereitgestellt werden.

Die Voraussetzungen, um wieder zu öffnen, seien handhabbar, sagte Scherer. Trotz der Lockerungen arbeiteten viele Einzelhändler aber weiter mit reduzierten Öffnungszeiten, größere Teile der Belegschaft seien weiter in Kurzarbeit. Ähnlich klingen die Erwartungen bei Jan Willenberg-Sebastian. „Wir rechnen eher nicht mit dem großen „Run“, sondern einem verhaltenen Start, sagte der Mainzer Juwelier, der Präsident des Handelsverbandes Mittelrhein-Rheinhessen-Pfalz ist. Er zählte am Montag binnen einer Stunde mehrere Uhren-Batteriewechsel in seinem Geschäft, es sei offenbar einiges liegengeblieben, sagte er.

Doch auch mit den Lockerungen werde es vorerst für viele Einzelhändler schwierig bleiben, denn die Umsätze dürften sich auf absehbare Zeit nicht normalisieren, sagte Willenberg-Sebastian. Stark zu leiden habe etwa der Textil-Einzelhandel, der auf Sommermode sitze. Hier könne es zu einer „Rabattschlacht“ kommen. Dass sich die Fußgängerzonen nicht gleich wieder komplett füllen, liege daran, dass viele Menschen noch vorsichtig seien. Es solle ja auch erstmal nur eine schrittweise Öffnung sein aus Infektionsschutzgründen. Zumindest habe aber das „Nichtstun-Können“ ein Ende, das habe zuletzt viele Branchenkollegen belastet, sagte Willenberg-Sebastian.

Auch Eisdielen konnten am Montag zumindest wieder mit dem Straßenverkauf beginnen - bei vielerorts strahlendem Sonnenschein. Der Geschäftsführer des Eiscafés Dolce Vita am Koblenzer Löhrrondell, Nader Khan, sagte: „Noch ist aber wenig los. Die Leute müssen mit Abstand voneinander warten. Und sie dürfen nicht hier sitzen, nur Eis mitnehmen. Das bringt natürlich viel weniger Umsatz.“ Ein Eisbecher koste sechs bis acht Euro, einzelne Kugeln viel weniger. Er klagte, dass seine Miete weiter läuft, er aber einen beantragten Zuschuss noch nicht bekommen habe.

In Mainz öffnete am Montag auch der Handwerksbetrieb Schué wieder seine drei Läden in der Altstadt. Inhaber Theodor Schué hat die Zeit genutzt, eines der Geschäfte neu einzurichten. Der Umsatz der Läden habe natürlich gefehlt, auch wenn der angeschlossene Handwerksbetrieb weitergearbeitet habe. Das neu gestaltete Geschäft wollte Schué eigentlich mit „richtig Ramba Zamba“ wiedereröffnen. Daraus werde jetzt erstmal nichts. „Wichtig ist einfach, positiv zu denken“, sagte er. Und doch habe er schlaflose Nächte gehabt, auch wenn er es mit eigenem Kapital und ohne Kurzarbeit geschafft habe.

Zumindest ein Stück weit Normalität kehrte auch in die Trierer Innenstadt zurück, richtig voll war es hier ebenfalls nicht. Passanten freuten sich sichtlich, dass gewisse Läden wieder offen waren. „Der Einkauf heute ist ein richtiges Highlight“, sagte Christine Linster. Sie ergatterte ein Paar Schuhe, das sie schon vor den Schließungen im Zuge der Corona-Krise im Auge hatte. „Sie waren zum Glück noch da. Ich brauche sie für eine Hochzeit“, sagte Linster.

Auch in Trier fand so mancher den Weg zur Eisdiele. „Ich freue mich sehr darüber“, sagte eine Kundin, die ihren vollständigen Namen nicht nennen wollte, aus dem Trierer Umland. Sie war eine der ersten im Café Calchera. Café-Geschäftsführer Carlo Calchera hat etwas Sorge, dass es nochmal einen Rückschritt geben könnte. „Das wäre dann der Super-Gau“, sagte er.

Eingekauft werden konnte am Montag zunächst in 15 von insgesamt 120 Shops auch wieder im Fashion Outlet Center in Zweibrücken nahe der Grenze zum Saarland. Weitere Läden bereiteten ihre Wiedereröffnung vor. Das sorgte jenseits der Landesgrenze für Unmut. Er halte die Öffnung für einen Fehler, sagte Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU). „Es ist davon auszugehen, dass es dort einen großen Zulauf geben wird - damit werden all unsere Bemühungen konterkariert, große Menschenaufläufe zu verhindern.“

Zudem sei der „zu erwartende Binnentourismus auch ein großer Nachteil für unsere Wirtschaft im Saarland“, sagte Hans. „Ich warne davor, dass sich einzelne Bundesländer jetzt einen Überbietungswettbewerb an Lockerungen liefern - damit erweisen wir dem Föderalismus einen Bärendienst und helfen weder der Wirtschaft noch den Menschen.“

Für die rheinland-pfälzische CDU gab Generalsekretär Gerd Schreiner zu bedenken: „Unabhängig davon, wie die Hygieneregeln auf dieser großen Fläche gewährleistet werden, muss auch die Frage gestellt werden, ob mit der Öffnung des Outlets Zweibrücken Besucher aus den angrenzenden Benelux-Ländern angezogen werden.“

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: