Schmuck:Alu und Saphire

Schmuck: Eine Rose ist auch in der Bearbeitung durch Hemmerle eine Rose. Nur dann eben aus Weißgold, Aluminium und Diamanten, wie dieses Stück aus der neuen Kollektion "Infused Jewels".

Eine Rose ist auch in der Bearbeitung durch Hemmerle eine Rose. Nur dann eben aus Weißgold, Aluminium und Diamanten, wie dieses Stück aus der neuen Kollektion "Infused Jewels".

(Foto: Bruchhaus)

Der Münchner Juwelier Hemmerle gehört heute zu den exklusivsten Schmuckherstellern der Welt. Bis es so weit war, musste der Traditionsbetrieb erst mal einige Tabus brechen.

Von Max Scharnigg

"An dieser Säule habe ich schon als Kind Verstecken gespielt", sagt Christian Hemmerle und tätschelt liebevoll den tragenden, historischen Poller in der Hemmerle-Boutique an der Maximilianstraße 14. Es ist ein echter Familienstamm, denn tatsächlich existiert das Juweliergeschäft Hemmerle hier seit 1904 - und das, obwohl die Urgroßmutter "immer lieber in der Brienner Straße eröffnet hätte", weil sie die Nachbarschaft dort geistreicher fand als in der Maximilianstraße. Heute wirkt die historische Fassade wie ein wohltuender Traditionsanker zwischen den schnell wechselnden, internationalen Luxusmarken ringsum: ein Münchner Familienbetrieb in vierter Generation, bei dem man den Umgang mit der reichen Oberschicht schon lange vor der Maximilianstraßen-Schickeria gewohnt war.

Schließlich hatten sich die Gebrüder Hemmerle bereits ab 1893 mit der kunstfertigen Herstellung von Orden für Adel und Militär einen Namen gemacht und waren vom Prinzregenten Luitpold schon nach zwei Jahren als Hoflieferanten bestellt worden. Bis heute wird in dieser Tradition etwa der Bayerische Verdienstorden, das emaillierte Malteserkreuz, noch bei Hemmerle hergestellt. Ulkigerweise ist die würdevolle Auszeichnung damit nahezu das einzige Massenprodukt des Hauses, denn sonst dreht sich bei Hemmerle seit Jahrzehnten alles um Kostbarkeiten, die es genau einmal gibt - und von denen nicht wenige direkt in Safes oder die Vitrinen von Sammlern wandern.

Schmuck, so aufwendig gearbeitet, dass er eigentlich ins Museum gehört

Die Richtung, die die Firmengeschichte unter Christians Vater Stefan Hemmerle nahm, hat jedenfalls mit einem herkömmlichen Juwelier fast nichts mehr zu tun - Verlobungsringe und Uhren sucht man hier heute vergeblich, Laufkundschaft spielt keine Rolle. Stattdessen steht "Hemmerle, München" seit Jahrzehnten weltweit für Haute Joaillerie der Extraklasse, wenn man so möchte das Pendant zur Haut Couture in der Mode. Also: diffizile Einzelanfertigungen mit einer selbstbewussten, künstlerischen Formensprache. Schmuck, so fein und aufwendig gearbeitet, dass jedes fertige Stück eigentlich direkt ins Museum gehört; nicht umsonst gab es in der Neuen Sammlung vor einigen Jahren eine Einzelausstellung mit rund hundert Preziosen aus der Werkstatt Hemmerle, eine sagenhafte Leistungsschau dessen, was mit Edelmetallen, Diamanten und Co. möglich ist.

Wobei, Stichwort Edelmetalle: Eigentlich begann erst mit der Abkehr davon das neue große Abenteuer der Hemmerles, das war Anfang der Neunzigerjahre. Denn damals bekannte eine Kundin gegenüber Stefan Hemmerle, dass sie auffällige Edelsteine eigentlich verabscheue und deshalb lieber schlichten Eisenschmuck aus dem 19. Jahrhundert trage. Aus dieser Inspiration entstanden erste Experimente und schließlich ein Stück, das weltweit für Aufsehen sorgte: Stefan Hemmerle fasste einen prächtigen Diamanten in schlichtes Eisen, und der ungewohnt rohe Kontrast der Materialien wirkte auf die Betrachter geradezu elektrisierend. Dieser Tabubruch war der Beginn einer "zeitgenössischen Kunstform" in der Maximilianstraße 14, seitdem werden beim Juwelier Hemmerle mit viel Lust und Kunstsinn ungewöhnliche Zutaten zusammengebracht.

Blütenblätter aus anodisiertem Aluminium mit Smaragden

Das machen auch die Stücke deutlich, die man an diesem Nachmittag sieht, wenn man die Sicherheitsschleuse passiert hat und in einem Raum steht, zu dem der Begriff Showroom wirklich mal passt: In nüchternen Wandnischen sind einzeln die funkelnden Kleinodien gebettet, man sieht Blütenblätter aus anodisiertem Aluminium mit großen Smaragden, eine alte chinesische Münze, gefasst in Jade und gekrönt mit einem Diamanten, einen Armreif aus wunderbar gemasertem Bocoteholz, Bronze und Weißgold oder eine filigrane altägyptische Fayence, die hier in München nach etwa viertausend Jahren ein neues Leben als schlicht-schönes Collier bekommen hat. Es ist eine amtliche Wunderkammer, denn nahezu jedes Stück bringt mit seiner Herkunft und Materialität erstaunliche Geschichten mit, die unter den Händen der Hemmerle-Schmiede zu tragbarer Kunst zusammengefügt wurden.

Schmuck: Sie machen Haute Joaillerie der Extraklasse: Christian und Yasmin Hemmerle.

Sie machen Haute Joaillerie der Extraklasse: Christian und Yasmin Hemmerle.

(Foto: Hemmerle)

Sie machen Haute Joaillerie der Extraklasse: Christian und Yasmin Hemmerle. Hinter Sicherheitsglas warten diese Schätze auf jemanden aus der kleinen, aber hingebungsvollen Käufergruppe, für die Hemmerle heute arbeitet. "Wir gehen bei unserer Arbeit generell nicht auf Kundenwünsche ein, aber wir wissen bei manchen Stücken natürlich schon, wer aus unserer Kundenliste sich für was interessieren könnte", sagt Christian Hemmerle verschmitzt. Er hat mit seiner Frau Yasmin den Kurs seines Vaters weiterverfolgt und führt heute die Geschäfte des Hauses; die Begeisterung für den Spagat zwischen Handwerk, Familientradition und Tabubruch ist dem lebendigen Mann bei jedem Satz anzumerken.

Statt wie die Konkurrenz Prominente bei Filmfestivals auszustatten, arbeitet man bei Hemmerle leise und diskret, ist auf der Kunstmesse "Tefaf" in Maastricht präsent oder bei der "PAD" in London - dort trifft sich eine Klientel, die diese Schnittmenge aus Kunst, Luxus und Handwerk würdigen und bezahlen kann. Denn auch wenn über solche Details vor Ort lieber hinweggesehen wird, die Preise für viele der hier gezeigten Unikate liegen fraglos im sechsstelligen Bereich.

Ein kleiner Spaziergang ins Lehel führt dann an den Geburtsort der Schätze: ein reizendes kleines Altstadthaus, gelegen in einem Hinterhof, die Adresse bleibt geheim aus Sicherheitsgründen. Aus Sicherheitsgründen weist Christian Hemmerle auch mehrmals auf das Alter des Hauses hin, denn bei der Treppe in den ersten und zweiten Stock sind die Stufen von den Jahrhunderten so verzogen, dass sie unkundige Besucher regelrecht abwirft. Hat man diese Hürde genommen, steht man in einem robusten Handwerksbetrieb mit einem Dutzend abgewetzter Werktische, das Radio läuft.

Bis zu 200 Arbeitsstunden pro Stück sind keine Seltenheit

Es sind mehrheitlich Männer, die hier konzentriert feilen, biegen, fummeln und denen man nicht unbedingt ansieht, dass sie zu den besten Goldschmieden der Welt gehören. Jeder hat vor sich ein Artefakt, ein paar Steine oder Perlen liegen, die ihn wochenlang beschäftigen und unter seinen Händen zu etwas werden, das er selbst nicht bezahlen könnte. Bis zu 200 Arbeitsstunden pro Werkstück sind bei den delikaten Projekten des Hauses keine Seltenheit. Muss man sich vorstellen, sagt einer der Meister im Schein der beleuchteten Arbeitslupe, vier Wochen lang hat man so was Kleines den ganzen Tag in der Hand, von morgens bis abends, und dann gibt man es weg, und es kommt etwas ganz Neues.

Die Inspiration für neue Objekte entsteht im Austausch mit Christian und Yasmin Hemmerle, sie ergibt sich aus den ersteigerten Steinen und Materialien oder den individuellen Ideen der Handwerker. Eine Vorabskizze zeigt, wie es ungefähr aussehen könnte. Den Weg dorthin müssen die Experten dann selbst suchen, eine Vorgabe, wie lange es dauern darf, gibt es nicht. So lange eben, bis es perfekt ist, murmeln die Herren und lachen: Etwas anders als Perfektion würde hier nicht geduldet, dafür sorgen schon die peniblen Augen der Kollegen.

Schmuck: Wie im Lehrbuch: Blüten des Ingwer in den Augen des Juweliers.

Wie im Lehrbuch: Blüten des Ingwer in den Augen des Juweliers.

(Foto: Bruchhaus)

Ein Stockwerk über der Werkstatt erstreckt sich auf einem langen Tisch und aufwendig inszeniert dann das große Geheimnis, das neue Projekt, an dem die vergangenen Jahre gearbeitet wurde und mit dem Hemmerle auf der nächsten Messe für Furore sorgen möchte: "Infused Jewels" lautet das Thema dieser Kollektion, es geht um die möglichst naturgetreue Abbildung der Zutaten einer Kräuterteemischung. Leicht skurrile, naturalistische Ansätze gehören bei Hemmerle dazu, es gab auch schon Pilze oder Gemüse, nachgebildet mit den Mitteln des Juweliers. Diesmal also feingliedrige Kräuter, man sieht eine Brosche, die täuschend echt eine Orangenblüte nachbildet, oder Rosmarinblüten aus Saphir. Es sind also wahre Naturwunder, die Hemmerle dieses Jahr zeigt, überwältigend in ihrer Detailliertheit - und mit ihrem Kontrast aus simpler Natürlichkeit und absurdem Materialeinsatz auch sehr charmant.

Wer ein Stück davon kauft, bekommt es in einer extra angefertigten Teedose aus Nymphenburger Porzellan. Münchner Hoflieferanten müssen eben zusammenhalten.

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