Diamanten: Wie Sie mit dem Edelstein brillant investieren können

Die Prinzessin der Nacht steigt um fünf Uhr morgens aus einem gelben Taxi an der Fifth Avenue in New York. Sie trägt ein schwarzes Abendkleid und um den Hals eine atemberaubend breite Perlenkette. Sie läuft die Strasse entlang, bis sie vor dem Schaufenster des Schmuckgeschäfts Tiffany & Co. stehen bleibt. Mit ihrem Blick scheint sie die Juwelen im Schaufenster verschlingen zu wollen. Dabei fällt in der Reflexion des Schaufensters auf, dass an ihrer auffälligen Perlenkette ein riesiger Diamant hängt: der Tiffany-Diamant. So war Audrey Hepburn Anfang der 1960er Jahre in der Werbung für den Oscar-prämierten Film «Breakfast at Tiffany’s» zu sehen, in welchem sie ein luxuriöses Escort-Girl mit einer Vorliebe für Diamanten spielte. Mit diesem Auftritt war sie eine von nur fünf Frauen, die den 128-karätigen Tiffany-Diamanten je tragen durften. Zuletzt war es dieses Jahr die israelische Schauspielerin Gal Gadot: Im Film-Remake des Kriminalromans «Tod auf dem Nil» schimmerte der 25,7 Gramm schwere Stein mit einem geschätzten Wert von 30 Millionen Franken an ihrem Hals. Edelsteine sind kostbare Raritäten und werden mitunter genauso berühmt wie ihre Trägerinnen. Zudem sind sie ein nachhaltiges Investment, das sich sehr schnell auszahlen kann: Ein im Jahr 2011 verkaufter Saphir erzielte einen Preis von 1,59 Millionen Dollar, nur vier Jahre später erhöhte sich dieser Verkaufswert bereits auf 2,29 Millionen Dollar. Eine Panther-Armband der Herzogin von Windsor kostete 1987 noch 2,1 Millionen Dollar, im Jahr 2010 wechselte es den Besitzer für 7,19 Millionen Dollar. An Auktionen übertreffen Edelsteine und Juwelen regelmässig die Erwartungen um ein Vielfaches. «Juwelen und Edelsteine sind anders als Aktien oder Kryptowährungen», fasst Caroline Lang, internationale Auktionatorin und Chairman Sotheby’s Schweiz, die Leidenschaft für den Glitzer zusammen. «Ein Stein spricht zu einem, und Schmuck trägt man am Körper. Das führt zu einer ganz ande-ren emotionalen Bindung als bei einer Aktie.» Wer in Edelsteine investieren will, beginnt am besten mit dem bekanntesten aller Steine: dem Diamanten. «Deren Förderung ist heute stark reguliert», erzählt Olivier Wagner, Head of Sale und Senior Specialist Schmuck und Edelsteine bei Sotheby’s. Die Minen brächten die Diamanten bewusst auf den Markt, und an den Auktionen dürften nur geladene Händler teilnehmen. Es sei «eine sehr exklusive Geschichte». Anders als bei Gold gibt es für Diamanten aber keinen Standardpreis pro Karat, dafür listet der «Rapaport» – die Bibel der Diamantenexperten und -expertinnen – jede Woche die Preise für Diamanten auf. Die weissen D-Farben entsprechen dabei denjenigen mit dem höchsten Wert, denn sie entfalten die schönsten optischen Wirkungen. «Der Wert basiert aber nicht nur auf der Farbe, sondern orientiert sich an den vier C der GIA-Skala: Carat, Cut, Colour und Clarity», führt Wagner aus. Zu Deutsch: Karat (ein Karat entspricht 0,2 Gramm), Schliff, Reinheit und Farbe. Die Farbe wird dabei in die Kategorien D bis Z unterteilt (siehe Box). Die wichtigsten Diamanten gehören zu den Kategorien D bis F, wobei massive Unterschiede zwischen den einzelnen Kategorien bestehen. Form, Gewicht und Farbe prägen Diamanten Ebenfalls ausschlaggebend für ein Investment sollte die Form sein. Hierbei unterscheidet Wagner die Formen «round» und «pear-shaped», rund und birnenförmig, wobei unter letztere Kategorie sämtliche «fancy shapes» fallen. «Herzförmig ist beispielsweise eine ‹fancy shape›. Man könnte meinen, dass herzförmige Diamanten sich besonders gut verkaufen lassen, und das tun sie zwar aufgrund ihrer Symbolik und des emotionalen Wertes», erklärt der Experte, «aber ihr Schliff hat Auswirkungen auf den Preis.» Denn der Schliff beeinflusst die Brillanz und nur ein runder Schliff bringt diese am besten zur Geltung. «Ein Karat eines runden Diamanten der Kategorien D bis F kostet rund 120'000 Dollar, bei einem birnenförmig geschliffenen Diamanten sind es 85'000 Dollar gemäss aktueller ‹Rapaport›- Liste.» Darüber hinaus gibt es noch weitere Kriterien, die ins Gewicht fallen können: «Gerade asiatische Bieterinnen und Bieter sind stark am Markt, und sie betrachten die Zahl vier als Unglückszahl. Deshalb kommt ein Stein mit vier Karat für die wenigsten infrage», erzählt Olivier Wagner. «Dafür ist die Zahl acht eine Glückszahl. Das treibt den Preis für einen Stein mit dem ‹Idealmass› 8,88 Karat massiv in die Höhe.» Eindrücklich gelang das Sotheby’s im vergangenen November, als es ein Paar Ohrringe mit jeweils einem 25,88-karätigen Diamanten für über 3 Millionen Dollar versteigerte. Plakativer inszeniert das Modehaus Dior die Zahl acht: Im März dieses Jahres veröffentlichte es den Montaigne-Diamanten. Einen «Fancy Intense Yellow Diamond» mit 88,88 Karat. Als Begründung führt Dior die acht Ateliers des Schmuckhauses auf acht Etagen im achten Pariser Arrondissement, das am 8. Oktober 1946 gegründet wurde, an. Der Stein ist Teil der «En Huit»-Kollektion, die laut Medienmitteilung Erbe, Symbolik und Geschichte in einem vereinen soll – oder aber auf den kaufkräftigen asiatischen Markt abzielt. Der Fancy Intense Yellow Diamond von Dior öffnet ein weiteres Feld von Diamanten: die farbigen. Fünf von zehn der teuer verkauften Diamanten sind pink, weshalb es nicht verwundert, dass der bisher am höchsten versteigerte Diamant diese Farbe aufweist. Der sogenannte Pink Star, mit der höchsten Farbklasse Fancy Vivid ausgezeichnet, wechselte 2017 den Besitzer für 71,2 Millionen Dollar. Die «Big Three»: Rubin, Smaragd, Saphir Diamanten stehen zwar als Wertanlage an erster Stelle, dicht dahinter folgen aber die «Big Three»: Smaragd, Rubin und Saphir. Der bekannteste Rubin ist der Sunrise Ruby, der 2015 bei einer Auktion von Sotheby’s für 30,42 Millionen Dollar von einem anonymen Bieter gekauft wurde. Den Rubin begleiteten zwei Expertenberichte, beide von weltweit anerkannten und in der Schweiz angesiedelten Edelsteinlaboren: vom Schweizerischen Gemmologischen Institut (SSEF) und vom Gübelin Gem Lab. «Unser Job ist die Voraussetzung für Auktionen. Bei wirklich sehr hohen Millionenbeträgen lassen Auktionshäuser einen Stein bis zu dreimal untersuchen», erzählt Laurent Cartier, Projektmanager beim SSEF. Er vergleicht die Situation mit dem Kunsthandel: Auch dort möchten Käuferinnen und Käufer einen Bericht, der belegt, dass sie einen echten Picasso kaufen. Ein solcher stärkt das Vertrauen – genau wie bei Arztbesuchen, bei denen man mehrere Meinungen einholt. Einen Stein ohne Bericht zu kaufen – davon rät Cartier klar ab. Hingegen empfiehlt er Interessierten, einen Edelstein-Kurs zu besuchen, um sich das Grundwissen über Edelsteine anzueignen. Denn bei den Edelsteinen herrscht beispielsweise ein historisch gewachsenes, geografisches Gefälle vor: burmesische Rubine, kolumbianische Smaragde und Kaschmir-Saphire. «Für einen Smaragd aus Kolumbien bezahlt man oft mehr als für einen aus Sambia», sagt Cartier. Warum das so ist, erklärt die Weinwelt: Für einen Pinot noir aus dem Burgund ist man eher bereit, mehr zu bezahlen als für einen Pinot noir aus dem Wallis. Genau gleich verhält es sich mit den Edelsteinen, und genau wie in der Weinwelt ist nicht garantiert, dass ein kolumbianischer Smaragd wirklich besser ist als ein sambischer. Edelsteine ohne Füllstoffe und für Juwelen Bei den Smaragden gilt es noch in einem anderen Bereich aufzupassen: «Aufgrund ihrer geologischen Geschichte weisen Smaragde häufig Risse auf. Unbehandelte hochwertige Smaragde ohne Risse sind sehr selten», schreibt das SSEF. Deshalb ist es üblich, Smaragde mit Füllstoffen zu behandeln, um die Klarheit zu verbessern. Die Aufgabe des SSEF ist, herauszufinden, welche Art und Menge des Füllstoffs hinzugegeben wurden. Wer in Smaragde investieren möchte, hält Ausschau nach einem Smaragd mit Bericht, in dem keine bis geringfügige Füllstoffe ausgewiesen werden. In Bezug auf Rubine empfiehlt sich: ebenfalls keine Füllstoffe und am besten die Farbe von Taubenblut. Denn die Farbe «pigeon-blood» mit ihrer natürlichen Fluoreszenz verleiht dem Stein ein lebendiges inneres Feuer. Kein taubenblutrotes, sondern ein royalblaues Feuer trägt der Bruder des Rubins in sich: der Saphir. Auch Saphire sahnen mitunter Rekordpreise ab, beispielsweise ein Ring mit Kaschmir-Saphir bei einer Sotheby’s-Auktion im Jahr 2015, bei dem das Karat für 242’145 Dollar versteigert wurde. Der Wert von Edelsteinen rückt jedoch in den Hintergrund, sobald sie Teil eines Juwels werden. Im Juni 2022 bot Sotheby’s ein Armband aus dem Haus Oscar Heyman & Brothers aus dem Jahr 1927 an. Das Armband «Birds in Flight» wies Rubine, Saphire und Smaragde sowie Diamanten der Kategorien G bis H auf. Erwartet wurde ein Preis von bis zu 750'000 Dollar – verkauft wurde es für 1,34 Millionen Dollar! Die Antwort darauf, warum dieses Stück einen Rekordpreis erzielte, gibt Caroline Lang: «Es war ein einmaliges Stück und dazu noch aus der Zeitepoche des Art déco.» Die 1920er und 1930er Jahre gelten als die goldene Ära des Schmucks; Stücke aus dieser Zeit sind eine Referenz für die Kreativität der grossen Juweliere. Alle bekannten Häuser haben in dieser Zeit dazu beigetragen und einen Stil geprägt, dessen Einfluss noch heute besteht. Ein bekannter Vertreter ist Cartier mit der Tutti-Frutti-Kollektion: Die Kollektion entstand nach einer inspirierenden Reise Jacques Cartiers nach Indien. Wieder zu Hause, kreierte er die bunten Tutti-Frutti-Schmuckstücke. Ein Armband aus der Kollektion wurde 2020 nach einem Wettstreit von fünf Bietern aus aller Welt für 1,3 Millionen Dollar versteigert. Zum Vergleich: Ein früheres ähnliches Armband wechselte 2011 für 842 500 Dollar den Besitzer. Spekulation mit jungen Juwelieren «Das grosse Interesse ist mit Modetrends vergleichbar», so Caroline Lang. «Die Stücke von Cartier sind zwar zeitlose Klassiker, aber beispielsweise die Monete-Kollektion von Bulgari, die in den 1960er Jahren entstanden ist, fragte vor wenigen Jahren kaum jemand nach.» Heute erfreuen sich die antiken, in Gelbgold gefassten römischen Münzen aber grosser Beliebtheit unter Sammlerinnen und Sammlern. Das Gleiche trifft auf auffällige Cocktailringe zu: «In Bezug auf Schmuck befinden wir uns aktuell wieder in den 1980er Jahren: ausdrucksstark, auffällig, gross.» Als Faustregel gelte aber, an Auktionen auf die drei grossen Modehäuser Cartier, Bulgari und Van Cleef & Arpels zu setzen, da deren Produkte praktisch nicht an Wert einbüssen. Ein weiterer Garant für ein erfolgreiches Investment sind vorangehende, berühmte Besitzer wie Elizabeth Taylor. Noch mehr freuen darf sich aber, wer Kostbarkeiten aus royalem Besitz ergattert; hier ist eine Wertsteigerung programmiert. Königliche Juwelen schaffen es jedoch selten auf den Markt – und wenn, dann liegen sie im unerschwinglichen Bereich. Wer aber den Markt beobachtet, findet auch zeitgenössische Juweliere, in die es sich zu investieren lohnt. Da ist einerseits Joel Arthur Rosenthal, kurz JAR, dessen Meisterstücke viele begeistern. Oder Cindy Chao, deren Schmetterlingsbroschen Schauspielerin Sarah Jessica Parker trägt. Und auch Hemmerle oder Taffin gehören heute ins Schmuckvokabular. Während Hemmerle die Unikate mit ungewohnten Materialien wie Bronze oder Aluminium ergänzt, geht Taffin noch einen Schritt weiter und präsentiert Edelsteine in Holz-, Gummi- oder Keramikfassungen. Doch es gibt auch weniger bekannte Juwelierinnen und Schmuckhersteller. Ein Geheimtipp sind Marina Bs Fingerringe mit grossen, auffälligen Steinen. Auch ihre sich um den Unterarm schlängelnden Goldkreationen gewinnen an Beliebtheit und steigern vermutlich in Zukunft ihren Wert. Auffällig sind zudem Kreationen von Tarpin oder FengJ, die weniger an Schmuck, sondern vielmehr an getragene Kunst erinnern. Auf der klassischen Schiene fährt Bhagat, ein indischer Künstler, der Kostbarkeiten in Anlehnung an die Art-déco-Zeit designt. Indien und Art déco – eine noch immer unschlagbare Kombination, die bereits Cartier zu Weltruhm verhalf. Beim Investieren in Werke von noch jungen Künstlern und Künstlerinnen gelten also folgende Regeln: Sowieso müssen die Steine bunt sein. Dazu entweder so auffällig wie die von Tarpin, Marina B., Hemmerle und Taffin – oder filigran wie die von JAR, Cindy Chao und Bhagat. Die Investorin oder der Käufer kann hier wählen, was ihr oder ihm besser gefällt. So können sich Sammlerinnen und Sammler gleich doppelt freuen: über die Kreation in der Schmuckschatulle an sich und bestenfalls über deren Wertgewinn.