Ein Lichtstrahl genügt, und die Botschaft erleuchtet. (Bild: Instagram @therayy)

Ein Lichtstrahl genügt, und die Botschaft erleuchtet. (Bild: Instagram @therayy)

Bändiger des Lichts

Das Schweizer Schmucklabel The Rayy vereint Design mit komplexer Wissenschaft

Sonja Siegenthaler Schmuck
Ein Lichtstrahl genügt, damit die Fingerringe des Schweizer Labels The Rayy verborgene Botschaften offenbaren. Die Geschichte einer aussergewöhnlichen Symbiose.

Der Siegelring ist ein Symbol von Zugehörigkeit und Familienerbe. Der Solitärring, das Nonplusultra eines Verlobungsrings, verspricht ewiges Bündnis, und der Ehering steht für Beständigkeit. Die Schmuckstücke des Schweizer Labels The Rayy sind allesamt ästhetische Neuinterpretationen dieser Klassiker. Die Designsprache ist sehr minimalistisch, klar und geometrisch, und ebendiese Schlichtheit lässt jeden Ring so modern wie zeitlos wirken. Die einzigen Zutaten, die es für den «Dot», den «Two Dots», den «Solitaire» oder den «Bar» braucht, sind Gold, Diamanten – und Licht.

Ein Lichtstrahl genügt nämlich, damit der Ring eine verborgene Botschaft preisgibt. Das kann etwa ein Datum sein, eine Liebeserklärung oder einfach nur ein poetisches Wort, das projiziert wird, sobald Licht auf die nur scheinbar glattgeschliffene Oberfläche des Schmuckstücks trifft.

So romantisch das klingen mag, dahinter steckt jahrelange Forschungsarbeit, durchgeführt von Mark Pauly, Yuliy Schwartzburg und Romain Testuz an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL).

Ein komplexer Fertigungsprozess

Inspiriert von den Lichtmustern, sogenannten Kaustiken, die an einem sonnigen Tag auf dem Boden eines Schwimmbads zu sehen sind, wollten die drei auf das Themengebiet Computergrafik spezialisierten Forscher dieses optische Phänomen verstehen und kontrollieren. «Wir wussten, welches Lichtbild wir haben wollten, und suchten die Form der Oberfläche, die dieses erzeugen sollte. Was einfach klingen mag, erfordert komplexe mathematische Berechnungen», so Romain Testuz, dessen Faszination für Licht, Spezialeffekte und Magie von Zirkusbesuchen in Kindestagen rührt.

Den ersten Durchbruch konnte das Team unter Professor Pauly im Jahr 2012 erzielen: Es gelang ihnen, einen Computeralgorithmus zu entwickeln, der die Oberfläche eines Materials so berechnet, dass Licht in ein vorgegebenes Bild reflektiert wird. Vier Jahre später, als der komplexe Fertigungsprozess allmählich vereinfacht werden konnte, entschlossen sich die drei EPFL-Mitarbeiter, das Startup Rayform zu gründen – «ray» wie Lichtstrahl, nur gebändigt.

Es folgten Kooperationen in der Uhren- und Parfumindustrie, und bald wurde auch Architekten, Künstlern und Designern der Zugang zu der innovativen Lichtformungstechnologie ermöglicht.

Eine Kombination von Wissenschaft und Kunst

Die Idee zur Gründung eines Schmucklabels war geboren, als das Team 2018 die Technik so weit entwickelt hatte, dass sie auch auf kleinen Metalloberflächen anzuwenden war. Daraufhin nahmen Schwartzburg und Testuz Kontakt mit der Schmuckdesignerin Noémie Arrigo auf, deren Designs für ihr Label Bijoux Coquette den beiden Wissenschaftern schon immer gefallen hatten: «Wir spürten sofort eine Verbindung und begannen mit der Skizzierung einiger Ideen, die sich bald zu unserer ersten Kollektion entwickelten.»

Executive Officer Romain Testuz (links), Creative Director Noémie Arrigo (Mitte) und Chief Technology Officer Yuliy Schwartzburg (rechts) von The Rayy.

Executive Officer Romain Testuz (links), Creative Director Noémie Arrigo (Mitte) und Chief Technology Officer Yuliy Schwartzburg (rechts) von The Rayy.

So kam es 2019 in Renens (VD) zur Gründung von The Rayy, dem ersten Schmucklabel, das die revolutionäre Technologie zur Anwendung bringt. Vom nachhaltigen Erfolg sind sie überzeugt. «Wir glauben, dass die Kombination von Wissenschaft und Kunst eine unerschöpfliche Quelle des Staunens ist. Diese beiden Welten mögen sehr unterschiedlich erscheinen, können aber zu aussergewöhnlichen Kreationen führen», sagt Noémie Arrigo, die als Creative Director für das Markenimage und das Design der gesamten Kollektion verantwortlich ist. Sie hat das ästhetische Konzept für die neuartige Technologie erarbeitet.

Im Zeitgeist

Der Schmuck soll von allen getragen werden: «Für unsere Genderless-Linie habe ich mich auf simple geometrische Formen fokussiert, wie das Rechteck oder den Kreis. Jeder Ring soll wie eine kleine, zurückhaltende Skulptur wirken. Ein Juwel, das eine Frau und ein Mann tragen kann», erklärt die 39-jährige Westschweizerin.

Künstliche Lichtquellen funktionieren auch, aber die Sonne bringt die verborgene Botschaft am effektivsten zum Vorschein. (Alle Bilder: PD)

Künstliche Lichtquellen funktionieren auch, aber die Sonne bringt die verborgene Botschaft am effektivsten zum Vorschein. (Alle Bilder: PD)

Nicht nur mit dem genderneutralen Ansatz liegt The Rayy im Zeitgeist. Das Label vereint ausserdem innovative Technik mit Schweizer Handwerk. So wird jeder Ring in einem traditionellen Gussverfahren und nach Mass gefertigt. Nachhaltigkeit ist ebenfalls wichtig: Das verwendete Gold ist mit dem Zertifikat «Responsible Jewellery Council» ausgezeichnet, das für einen verantwortungsvollen Umgang mit Umwelt und Mensch steht. Und die Diamanten für ihre Solitäre werden im Labor mit Solar­energie gezüchtet.

Ringe sind erst der Anfang

In einem weiteren Schritt wird eine Strukturierung in die Oberfläche des Ringes eingraviert, die von blossem Auge nicht sichtbar und für die reflektierte Lichtbotschaft verantwortlich ist. Möglich macht dies ein digital gesteuertes Diamantwerkzeug, das sich präzise über das Metall bewegt und auf der Grundlage der Berechnungen winzige Goldflocken entfernt.

Alle Ringe von The Rayy werden aus 18 Karat Gold gefertigt und sind in den Farben Gelb, Weiss und Rosé erhältlich. Ring «Dot», ab 2200 Franken.

Alle Ringe von The Rayy werden aus 18 Karat Gold gefertigt und sind in den Farben Gelb, Weiss und Rosé erhältlich. Ring «Dot», ab 2200 Franken.

Im letzten Schritt wird die Oberfläche vom Polierer in Handarbeit geschliffen, um dem Ring sein glattes Aussehen zu verleihen. Dass die innovative Technik für die erste Kollektion auf Ringe und nicht auf andere Schmuckstücke übertragen werden sollte, sei für das Team von vornherein klar gewesen, erklärt die Designerin, denn «mit den Fingern kann der Träger am natürlichsten mit den Lichtstrahlen spielen und die reflektierten Effekte beobachten». Als Nächstes konzentrieren sich Arrigo, Schwartzburg und Testuz auf eine Kollektion mit Anhängern.