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Änderung des Brandenburger Bestattungsgesetzes

Diamanten aus Toten: Kirchen erwägen Klage

Diamanten aus Totenasche:  Ein Berliner Bestatter bietet das Pressen der Asche eines Verstorbenen zu einem Diamanten an. Kosten: ab 3000 Euro.

Diamanten aus Totenasche: Ein Berliner Bestatter bietet das Pressen der Asche eines Verstorbenen zu einem Diamanten an. Kosten: ab 3000 Euro.

Potsdam. Die beiden großen christlichen Kirchen wehren sich gegen einen Gesetzesentwurf in Brandenburg, wonach Angehörige aus Teilen der Totenasche Schmuckstücke zur Erinnerung machen lassen könnten. Ein Mensch bleibe nach seinem Tod einzigartig und unvergessen, heißt es in einer am Montag veröffentlichen Erklärung des evangelischen Bischofs Markus Dröge und des katholischen Berliner Erzbischofs Heiner Koch. „Er sollte nicht zu einer Sache gemacht werden, die von einzelnen Personen in Besitz genommen wird.“

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Schutz der Würde des Verstorbenen

Sollte das Gesetz verabschiedet werden, wollen beide Kirchen eine Verfassungsklage prüfen lassen. „Wir haben erhebliche Zweifel, dass diese Grenzüberschreitung mit dem Schutz der Würde der Verstorbenen über den Tod hinaus in Einklang zu bringen ist“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung.

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Wie viele unkonventionelle Elemente sollte die Bestattungskultur zulassen? Zwei Engelsfiguren auf einem Grabstein.

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Bisher muss die Totenasche immer komplett beigesetzt werden. In einem Gesetzesentwurf der rot-roten Landesregierung heißt es jetzt: „Die Entnahme einer geringfügigen Menge der Totenasche ist zulässig, wenn dies dem schriftlich verfügten Wunsch der verstorbenen Person entspricht und der Verwendungszweck dem sittlichen Empfinden der Allgemeinheit nicht widerspricht“. Ein Erinnerungsdiamant, wie er etwa in der Schweiz gefertigt wird, entsteht aus dem Kohlenstoff der Asche von Verstorbenen.

Die Bestatter-Innung will modernere Rituale

Da die Gesetzesänderung auch innerhalb der Fraktionen im Landtag umstritten ist, haben mehrere Parteien bereits angekündigt, die Entscheidung keinem Fraktionszwang zu unterwerfen. Es wird mit zahlreichen Änderungsanträgen einzelner Abgeordneter gerechnet. Die Abstimmung ist für kommende Woche geplant.

Der Obermeister der Bestatter-Innung in Berlin-Brandenburg, Rüdiger Kußerow, warb vor der Presse für eine Öffnung des Gesetzes. Es könnte erstmals in Deutschland zulassen, dass aus Totenasche zum Beispiel kleine Diamanten hergestellt werden. Bisher gebe es dies schon im Ausland, sagte Kußerow. So könnte etwa eine Leiche in Deutschland im Krematorium verbrannt und die Urne dann in die Schweiz gebracht werden, wo ein Teil für Schmuck oder eine Mini-Urne genutzt werde.

Im Streitfall das Schmuckstück beisetzen

„Wer sagt uns, wie Bestattungskultur sein soll?“, fragte Kußerow. Vor einigen Jahren noch seien Urnenbestattungen im Wald heftig diskutiert worden, heute sei dies akzeptiert, sagte der Bestatter. Der Vize-Chef des Berufsverbands privater Krematorien in Berlin-Brandenburg, Gerd Rothaug, meinte, auch ein großer Teil der Christen habe nichts gegen eine Ascheentnahme. Die Kirchenleitung habe womöglich den Basisbezug verloren. Um zu vermeiden, dass die Asche im Müll lande, solle es ein kostenloses Angebot zur späteren Beisetzung solcher Schmuckstücke geben.

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Ein Vertreter eines Schweizer Unternehmens, das den "Service" des Diamantpressens weltweit anbietet

Ein Vertreter eines Schweizer Unternehmens, das den "Service" des Diamantpressens weltweit anbietet.

Rothaug verweist auf „interne Umfragen“, wonach sich jeder zehnte Hinterbliebene ein Gedenkstück, eine Mini-Urne oder einen Diamanten anfertigen lasse. Das ist in Deutschland bisher nicht möglich und wird über Tschechien, Holland oder die Schweiz abgewickelt. Rothaug fordert eine Legalisierung von Ascheentnahme.

„Der Mensch sollte keine Sache werden“

Die Leiterin des Katholischen Büros Berlin-Brandenburg, Martina Köppen, sprach sich gegen eine Kommerzialisierung von Bestattungen aus. Zahlreiche Folgeprobleme seien im Gesetzesentwurf noch ungeklärt: So stelle sich etwa die Frage, wie ein Verstorbener seine Einwilligung kundgetan haben müsse oder welche Mengen entnommen werden dürften. „Der Mensch sollte nicht zu einer Sache gemacht werden, die von einzelnen Personen in Besitz genommen wird“, sagte Köppen. Ähnlich äußerte sich der Beauftragte der Evangelischen Kirche bei den Ländern Berlin und Brandenburg, Martin Vogel. „Eine verstorbene Person kann ebenso wenig wie eine lebende Person Eigentum eines anderen Menschen sein. Die Entnahme von Totenasche zum Zwecke der Herstellung eines Gegenstands muss überaus kritisch gesehen werden.“

Auf Kritik der Kirche stoßen auch Regelungen, wie mit Tot- und Fehlgeborenen umgegangen werden soll. „Wir fordern die Einführung einer Bestattungspflicht für Tot- und Fehlgeborene, unabhängig von der Grammzahl. Jede Begrenzung auf eine Grammzahl ist willkürlich gesetzt“, hieß es in der Erklärung der Bischöfe. Nach der bisherigen Rechtslage in Brandenburg fallen Totgeborene mit einem Gewicht von unter 1000 Gramm nicht unter das Bestattungsgebot.

Von Igor Göldner und Rochus Görgen

MAZ

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