«Ein Luxusuhren-Startup wie wir muss in der Schweiz angesiedelt sein»

Der Anteil der Uhrenverkäufe, der im Internet getätigt wird, ist noch klein, wächst aber rasant. Philipp Man, der Gründer von Chronext, sieht deshalb für seine Luxusuhren-Plattform viel Potenzial. Für einen allfälligen Börsengang kommt für ihn nur das Uhrenland Schweiz infrage.

Andrea Martel
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 «Wir übernehmen für jede Uhr, die bei uns über den Tisch geht, die volle Verantwortung», versichern die beiden Gründer von Chronext, Philipp Man (links) und Ludwig Wurlitzer.

«Wir übernehmen für jede Uhr, die bei uns über den Tisch geht, die volle Verantwortung», versichern die beiden Gründer von Chronext, Philipp Man (links) und Ludwig Wurlitzer.

PD

An seine ersten Uhren kann sich Philipp Man noch gut erinnern. «Als Sechzehnjähriger habe ich mir mit dem Austragen von Zeitungen eine Rolex GMT Master finanziert. Und als mir meine Eltern für die guten Schulnoten eine Vespa schenken wollten, entschied ich mich stattdessen für eine Admiral’s Cup von Corum.»

Die Begeisterung für edle Zeitmesser hat den 30-jährigen gebürtigen Kölner seither nicht mehr losgelassen. Im Februar 2013, während des Studiums in London, kam er mit seinem Freund und Mitbewohner Ludwig Wurlitzer auf die Idee, einen Online-Marktplatz für Luxusuhren zu gründen. Chronext – von «chronos» (Zeit) und «exchange trading» – sollte teure Uhren so einfach und sicher handelbar machen wie Aktien.

Aus der Londoner WG-Küche heraus

Obschon gerade die Bachelor-Schlussprüfungen anstanden, stürzten sich die beiden ins Abenteuer. Vier Monate lang operierten sie von der Küche ihrer WG in West London aus. Wurlitzer entwickelte die Software, Man kümmerte sich um die Produkte. Ihre ersten Uhren bekamen die Gründer von einem Juwelier, bei dem Man vor seinem Studium gearbeitet hatte. «Ich habe ihn gefragt, ob wir die Uhren fotografieren und hochladen dürfen, um zu sehen, ob sie sich online verkaufen lassen.» Dabei zeigte sich allerdings, dass die Welt nicht auf Chronext gewartet hatte. Es brauchte einiges an Marketing, bis schliesslich nach drei Wochen ein Erdölhändler aus Illinois eine Uhr kaufte.

Selbst als für die Gründer klar war, dass das Modell funktionierte, ging es zunächst nur schleppend voran. Händler oder Uhrenhersteller für die neue Plattform zu gewinnen, war schwierig, denn E-Commerce war damals in der Branche noch überhaupt nicht verbreitet, und das Internet galt vor allem als Tummelplatz für dubiose Graumarkthändler.

Gleichzeitig hatten die rein stationär tätigen Juweliere auch Angst vor der digitalen Konkurrenz, wie ein Eklat im Jahr 2018 deutlich machte. Damals akzeptierte die deutsche Uhrenmarke Nomos Chronext offiziell als autorisierten Händler, was prompt dazu führte, dass die Juwelierkette Wempe die Glashütter Uhrenherstellerin aus ihrem Sortiment warf. Erst als Nomos einige Monate später die Kooperation mit Chronext wieder einstellte, beruhigte sich die Situation.

Win-win-Situation

Mittlerweile kooperieren viele aus der Branche mit Chronext. Das sieht der Kunde zwar nicht, denn die Händler und Hersteller treten nicht mehr in Erscheinung. Aber die Uhren müssen ja von irgendwoher kommen. Chronext verkauft mittlerweile für über 100 Mio. Fr. im Jahr Luxusuhren, von denen rund 70% neu sind. Die Zusammenarbeit nützt den Händlern ja auch: Jeder hat Uhren, die er nicht innert nützlicher Frist verkaufen kann.

Statt die Ladenhüter unter dem Tisch mit grossem Discount zu verkaufen oder über E-Bay zu verhökern, ist es sinnvoller, eine spezialisierte Plattform zu nutzen, die dank den vielen Transaktionen den bestmöglichen Preis eruieren kann. Uhrenmarken wiederum bekommen durch eine Kooperation mit Chronext Rückmeldungen darüber, ob ihre Preisgestaltung stimmt und bei welchen Modellen es allenfalls Anpassungen braucht.

Anders als früher kann Chronext mit der gewünschten Diskretion seiner Partner gut leben. Ziel ist nun vielmehr, den eigenen Namen als Garanten für Qualität zu etablieren. Vom Geschäftsmodell her sei das nur folgerichtig, findet Man: «Anders als andere Plattformen sind wir nicht nur Vermittler und allenfalls Zahlungsdienstleister, sondern wir übernehmen für jede Uhr, die bei uns über den Tisch geht, die volle Verantwortung. Egal ob es sich um ein Kommissionsgeschäft oder eine Uhr aus unserem Besitz handelt: Vertragspartner des Käufers sind immer wir.»

Viel Aufwand für Fälschungsschutz

Diese Verantwortung umfasst auch den Schutz vor Fälschungen. Chronext hat mittlerweile ein Team von 21 Uhrmachern. Von diesen schauen sich jeweils drei jede Uhr in einem 17 Schritte umfassenden Prozess genaustens an. «Mit acht Jahren Erfahrung und mittlerweile mehr als 100 000 geprüften Uhren traue ich mich zu sagen, dass wohl keine Echtheitsprüfung genauer ist als unsere», gibt Man selbstbewusst zu Protokoll. Sollte doch einmal eine Fälschung als solche identifiziert werden, wird sie in der Regel zurückgeschickt oder der Polizei übergeben. Das komme allerdings nur selten vor.

Als eine Art vertrauensbildende Massnahme hat sich das Unternehmen auch entschieden, nicht nur im Internet, sondern an einigen Orten auch physisch präsent zu sein. In London etwa gibt es ein Ladengeschäft, wo Uhren direkt erworben werden können; hinzu kommen neun sogenannte Lounges in Deutschland, der Schweiz und in Hongkong. Dort kann der Kunde beispielsweise Uhren anprobieren, die er zur Ansicht bestellt hat, oder sich persönlich beraten lassen.

Oftmals ist diese Beratung allerdings gar nicht nötig. Die Hemmschwelle, selbst sehr teure Uhren übers Internet zu kaufen, nimmt stetig ab. Der durchschnittliche Verkaufspreis bei Chronext liegt bei 6800 Fr. pro Uhr. Der Preisrekord stammt aus dem Jahr 2017: Damals erstand ein Schweizer Kunde mit einem Apple iPhone eine «Ulysse Nardin Grand Deck Marine Tourbillon» im Wert von 205 000 Fr.

Gerüchte über einen baldigen Börsengang

Chronext wächst rasant, seit der Gründung im Schnitt jedes Jahr um mehr als 100%. Etwas mehr als 100 Mio. Fr. konnte Man bis heute bei Investoren einsammeln. Der nächste Wachstumsschritt der mittlerweile 130-köpfigen Firma dürfte nun aber über einen Börsengang finanziert werden. Philipp Man will die Gerüchte zwar nicht bestätigen, aber wie er betont, ist für ihn ein Going-public nicht nur aus finanzieller Sicht interessant, sondern auch zur Stärkung der Glaubwürdigkeit.

Klar ist für ihn auch, dass für das IPO nur die Schweiz infrage kommt. Das Gleiche galt schon 2013 bei der Gründung: Obschon die Firmengeschichte in London begann und die Büros und Uhrmacherateliers in Köln beheimatet sind, gründeten Man und Wurlitzer ihre Firma in der Schweiz: «Uns war immer klar, dass wir als Luxusuhren-Startup schweizerisch sein sollten.» Auch Man wohnt seit dem Abschluss seiner Studien in der Innerschweiz.

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