Nachruf
Die Pferde waren ihre grosse Liebe: Ein Nachruf auf die St.Galler Uhrmacherin Katharina Frischknecht Stettler

Katharina Frischknecht Stettler führte ihr Juweliergeschäft am Marktplatz in vierter Generation. Privat fand sie ihr Glück auf dem Rücken der Pferde. Doch eine schwere Krankheit setzte ihrem Leben ein jähes Ende.

Melissa Müller
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Katharina Frischknecht Stettler (26. Januar 1962 bis 13. November 2021).

Katharina Frischknecht Stettler (26. Januar 1962 bis 13. November 2021).

Bild: PD

Wer das Juweliergeschäft Frischknecht am Marktplatz 18 betrat, wurde bis vor Kurzem von einem Bild der verstorbenen Chefin Katharina Frischknecht Stettler in den Bann gezogen. Das Porträt zeigte eine feingliedrige Frau mit langen brauen Haaren, das Gesicht ihrem Pferd zugewandt. Auf der Trauerkarte steht:

«Die Familie, die Pferde und das Traditionsunternehmen für Uhren und Schmuck in St.Gallen bedeuteten ihr alles.»

Am 26. Januar wäre Katharina Frischknecht Stettler 60 Jahre alt geworden – ihr Mann und Ihre beiden Söhne besuchten an diesem Tag das Grab mit Blumen und Champagner. «Meine Frau stand mit einem Lächeln auf und ging mit einem Lächeln ins Bett», sagt der Mörschwiler Immobilienhändler Bruno Stettler-Frischknecht. «Liebevoll, geerdet und stets gut gelaunt» - so hält er sie in Erinnerung.

Vier Schwestern, die alle mit Gold, Schmuck und Uhren zu tun haben

Katharina Frischknecht Stettler wird in einem kalten Winter 1962 als zweite Tochter von Werner und Annemarie Frischknecht in eine alteingesessene St.Galler Juwelier-Dynastie geboren. Ihre drei Schwestern Suzanne, Eveline und Anita haben beruflich ebenfalls mit Gold, Schmuck und Uhren zu tun. Ihr Urgrossvater Ferdinand hat 1894 den Grundstein gelegt und an der Neugasse in St.Gallen eine Goldschmiede eröffnet.

Mit drei Jahren sitzt Katharina zum ersten Mal auf einem Pferd. Schon ihr Grossvater Ernst und ihr Vater waren passionierte Reiter. Die Pferde sind auch ihre grosse Liebe. In ihrer Jugend träumt sie davon, Tierärztin zu werden – absolviert dann aber eine Lehre als Uhrmacherin im Familienbetrieb, die sie 1984 abschliesst. Nach einem Jahr bei der Uhrenfabrik Rolex in Genf und bei der IWC in Schaffhausen sammelt sie Führungserfahrung als Verkaufsmitarbeiterin des «Goldlädeli», ein weiteres Familienunternehmen mit elf Verkaufsläden. Sie arbeitet in Bijouterien in Bern, Chur und im Seedamm-Center in Pfäffikon SZ.

Dem zukünftigen Mann eine Uhr verkauft

In Pfäffikon lernt sie im November 1986 ihren Mann kennen. Zum ersten Mal begegnen sie sich, als sie ihm anlässlich seines Geburtstags eine Uhr verkauft. 1987 fliegt sie nach Kalifornien, wo sie sich, wie schon ihr Vater, in der Gemmologie, der Edelsteinkunde, weiterbildet. Vier Jahre später heiratet sie und bildet sich zur Betriebsökonomin weiter.

1999 steigt sie mit ihrer Schwester Eveline ins elterliche Geschäft ein. 2006 trennen sich ihre beruflichen Wege jedoch. Eveline macht sich selbstständig und Katharina Frischknecht wird alleinige Geschäftsführerin und Inhaberin in vierter Generation im Stammhaus Frischknecht Juwelier am Marktplatz 18-20/Engelgasse2. Sie leitet ein Team aus Mitarbeitenden, die dem Unternehmen seit Jahrzehnten treu sind, fördert aber auch jüngere Kolleginnen und Kollegen. 2019 feiern sie das 125-jährige Bestehen des Geschäfts.

Katharina Frischknecht in ihrem Geschäft.

Katharina Frischknecht in ihrem Geschäft.

Ralph Ribi (8. August 2019)

Kurz nach der Geburt wieder in der Firma und im Stall

Bereits vier Tage nach der Geburt ihrer Söhne Florian und Valentin steht sie jeweils wieder in der Firma und schaut im Stall zum rechten. Mit ihrer Familie wohnt sie seit 2007 in Mörschwil. Der heute 23-jährige jüngere Sohn Valentin will als Kaufmann im Sommer in fünfter Generation in die Fussstapfen seiner Mutter treten. Derzeit bildet er sich weiter. Sein Vater wird ihn weiterhin unterstützen, so wie er auch jahrelang seine Frau im Geschäft unterstützt hat.

Das Internet wälzt auch die Uhrenbranche um. Bis auf wenige Marken wie Rolex und Patek Philippe werden die meisten Uhren übers Netz verkauft. Katharina Frischknecht baut deshalb den florierenden Schmuckbereich aus und investiert laufend in ihr Geschäft am Marktplatz.

Während sie beruflich im repräsentativen Deux-Pieces auftritt, mag sie es privat léger, mit Trainerhosen und Strickjacke. Ihre Freizeit verbringt sie im Stall, wo sie sich der Dressur widmet. Ihr Mann schenkt ihr Pferde, die noch heute im Stall in Mörschwil von zwei Festangestellten versorgt werden. Sie reist viel herum mit ihren Pferden, nimmt an Dressurveranstaltungen teil und spendet bei Pferdewettkämpfen oft Preise wie edle Uhren.

Mit ihrem Sinn für Vernetzung und Repräsentation engagiert sie sich beim KMU der Frauen, im Gewerbeverein, beim SC und LC Brühl und bei den Freunden des Theaters St.Gallen. Dort besucht sie auch oft mit ihrem Mann Opern und Musicals. Mit der ganzen Familie geniesst sie auch Skiferien und gemeinsame Städtereisen und Reisen in ferne Länder. Eine schwere Krankheit, die im Frühjahr 2020 ausbricht, setzt ihrem Glück ein jähes Ende. Am 13. November 2021 erliegt Katharina Frischknecht Stettler ihrem Leiden.