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Kein Personal

Diamantbericht...Am 23. Dezember beendet Julia Kotte den Geschäftsbetrieb des Traditionshauses Juwelier Hennings/29525 Uelzen an der Veerßer Straße. Der Grund ist bitter.

„Ich finde einfach kein Personal, wir sind nur noch zu zweit. Damit ist die Arbeit von Reparaturannahme, Anfertigungen, Bestellungen über Garantiefälle, Kundenberatung bis Büro einfach nicht zu schaffen“, sagt Kotte. Im Optimalfall würde sie auf ein fünfköpfiges Team zurückgreifen wollen, drei Stellen sind also vakant. „Und ich habe wirklich alles versucht“, versichert die gebürtige Uelzenerin, die sagt: „Mir fällt das sehr schwer, gerade mit Blick auf unsere vielen tollen Stammkunden. Vor allem ihretwegen gibt es uns ja noch. Corona hätten wir ohne vielleicht nicht überlebt. Deshalb bin ich wirklich dankbar – die Reaktionen der Menschen sind einfach rührend.“

Julia Kotte kaufte das Geschäft zum Oktober 2013. „Und es läuft wirklich gut“, sagt die Unternehmerin durchaus stolz. Inzwischen gibt es Juwelier Hennings in der Hansestadt seit 88 Jahren – ein echtes Traditionshaus, das nun nicht nur einen Leerstand hinterlassen wird, sondern eine große Lücke in der immer kleiner werdenden Riege der inhabergeführten Geschäfte.

Dann kehrte sie zurück nach Uelzen, eröffnete kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie sogar einen zweiten Laden auf Sylt. Danach war dieses Abenteuer dann aber auch schon beendet – es deutete sich an, dass die Personaldecke zu dünn werden würde.

Viele Kunden aus Uelzen und der Region sind mit dem Juweliergeschäft groß geworden. Von der Kreuzkette zur Konfirmation über Freundschafts-, Antrags- und Ehering bis zum Taufbändchen waren Lebensstationen mit der Investition in Schmuck verbunden. „Die werden mit uns groß, das ist wie ein Bund. Und bei uns gab und gibt es das Allround-Paket – für den kleinen und den großen Geldbeutel, von 10 bis 10.000 Euro“, sagt Julia Kotte.

Sie wollte eigentlich weniger arbeiten. Stattdessen ist ihr Pensum stetig gestiegen. Die Arbeitswoche hat immer sechs Tage. Im Sommer blieb der Laden zwei Wochen zu, um Urlaub machen und den Akku auftanken zu können. „Krank werden – das geht gar nicht“, sagt Julia Kotte, die selbst nach Augenoperationen sofort wieder präsent war.

Nach Geschäftsschluss kümmert sie sich ums Büro, pflegt Kontakt zu ihren Kunden. „Viele haben meine Handynummer, ich bin eigentlich immer erreichbar. Deshalb bleibt mein Geschäft auch erst einmal erhalten – ich schließe also die Räumlichkeiten. Juwelier Hennings bleibt bestehen – wann und wo, das muss sich zeigen. Mal schauen, wie der Abverkauf läuft“ Sie suche einen Nachfolger für das dreigeschossige Ladenlokal mit über 200 Quadratmetern Fläche, was aber schwierig sei.

Die 52-Jährige blickt voller Dankbarkeit zurück auf die Vergangenheit, aber auch voller Tatendrang und Vorfreude in die Zukunft. Ihre Söhne (25/29) leben beide in Nordrhein-Westfalen – und würden sich natürlich riesig freuen, wenn die Mama dorthin zurückkommt. „Ich bin nicht der Typ, der sich nun hinstellt und heult. Ich bin vogelfrei, kann überall hin. Es ist die Chance zu einem Neuanfang. Für Uelzen ist es aber sicher tragisch, das merke ich an den Reaktionen der Kunden, die oft wirklich fassungslos sind.“

In jedem Fall freut sie sich darauf, nach herausfordernden Jahren etwas zur Ruhe kommen zu können. Heiligabend 2025 muss sie nicht bis zum Nachmittag arbeiten – erst zum dritten Mal in 13 Jahren. Bis zum 23. Dezember hat Juwelier Hennings regulär geöffnet. Ob es danach im Online-Shop oder Pop-up-Store weitergeht, werden die nächsten Wochen zeigen. „Ich bin für alles total offen und habe auf total viel richtig Lust“, sagt Julia Kotte spürbar ohne Groll, sondern vielmehr mit gespannter Erwartungshaltung.