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Krise beim RJC

Der RJC wurde gegründet, um in der Schmuckbranche ethische Standards durchzusetzen. Nun droht die Organisation an ihren eigenen Standards zu scheitern. Gründungsmitglieder wie Cartier oder Pandora sind aus Protest ausgetreten, auch die Direktorin ist zurückgetreten. Der Responsible Jewellery Council (RJC) ist in der Krise. Sowohl der Richemont-Konzern als auch Pandora, einer der größten Schmuckhersteller, haben das wichtigste Normierungs- und Zertifizierungsgremium der Schmuckindustrie in den vergangenen Tagen verlassen. Zurückgetreten ist zudem Iris Van der Veken, die Exekutivdirektorin des RJC, wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war. Der Grund ist, dass die Branchenvereinigung es trotz mehrfacher Aufforderung nicht geschafft hatte, die Beziehungen zu Russland zu kappen. 
Es sei nicht mit den Werten von Richemont vereinbar, einer Organisation anzugehören, in der einige Mitglieder Konflikte und Kriege unterstützten, sagte Cyrille Vigneron, der Chef von Cartier, bei einem Treffen mit Journalisten am Genfer Uhrensalon Watches and Wonders. Cartier ist die größte Marke im Richemont-Konzern und eines der Gründungsmitglieder des RJC, dem mittlerweile rund 1600 Firmen angehören. Richemont habe den Dialog mit der Organisation gesucht, sei jedoch nicht weitergekommen; nachdem am Montag ein Ultimatum abgelaufen sei, gehöre man dem Branchengremium nicht mehr an.
In die Kritik geraten ist der RJC wegen der Mitgliedschaft des russischen Staatsunternehmens Alrosa. Der russische Diamantenproduzent wurde vergangene Woche auf eine britische Sanktionsliste gesetzt, und die USA haben sowohl das Unternehmen als auch seinen Vorstandsvorsitzenden Sergei Iwanow ins Visier genommen. Iwanow gehört nach Angaben des US-Finanzministeriums zu den engsten Verbündeten des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Alrosa trat zwar Anfang März freiwillig aus dem Vorstand des RJC aus, aber das Unternehmen ist immer noch Mitglied.
Der RJC schrieb auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters, die zu Beginn des Kriegs eingeleitete rechtliche Bewertung des Mitgliedschaftsstatus von Alrosa durch einen Dritten würde «in Kürze» abgeschlossen sein. Man habe Verständnis dafür, dass das Tempo dieses Prozesses frustrierend sein könne.
Tatsächlich herrscht bei Richemont in solchen Angelegenheiten ein anderes Tempo. Wie am Uhrensalon ebenfalls zu erfahren war, kauft der Konzern seit dem 24. Februar keine Diamanten mehr aus Russland. Was einfach töne, sei eine große Herausforderung, erklärte Vigneron. Denn bei den Diamanten, die man nicht als Einzelstücke, sondern in großen Quantitäten kaufe, sei die Herkunft in der Regel unklar.

Die Schmuckhersteller könnten zwar überprüfen, ob ihre Diamanten allesamt von zertifizierten Mitgliedern stammten – aber nicht, aus welchem Land die Steine kämen. Denn nach den ersten Verarbeitungsstufen, die zu 90 Prozent in Indien stattfänden, würden die Diamanten zusammengemischt und anschließend nach Größe und Qualität sortiert.

Keine Diamanten aus Russland zu kaufen, bedeutet somit für Richemont bis auf weiteres, überhaupt keine Diamanten zu kaufen – zumindest keine Massenware. Laut Vigneron hat Cartier einen Vorrat für rund vier Monate. In dieser Zeit müsse gelingen, was in den vergangenen sieben Jahren nicht geklappt habe, nämlich die Rückverfolgbarkeit von Diamanten bis zu ihrem Ursprung.

Als Alternative zum RJC prüft der Luxusgüterkonzern nun, wie er selber eine Zertifizierung auf die Beine stellen kann. Ein geeignetes Forum dafür könnte laut Vigneron etwa die "Watch & Jewellery Initiative 2030" sein, die Cartier im vergangenen Herbst im Auftrag von Richemont zusammen mit Kering ins Leben gerufen hat.
Selbst wenn die Rückverfolgbarkeit bei Diamanten erreicht ist, wird es laut Vigneron allerdings nicht einfach sein, Ersatz für russische Quellen zu finden, denn Russland ist ein wichtiger Player in diesem Geschäft. Beim Gold ist es anders: 95 Prozent des Goldes, das im Richemont-Konzern verwendet wird, ist laut dem Unternehmen rezykliert.
Auch bei der Swatch Group ist der Großteil des verwendeten Goldes (rund 80 Prozent) nicht neu geschürft, sondern wiederaufbereitet, wie Nick Hayek vor kurzem an der Jahrespressekonferenz erwähnte. Sich ausschließlich auf rezykliertes Gold abzustützen, funktioniert allerdings nicht. Laut Vigneron reicht es nicht aus, um den Bedarf der gesamten Schmuck- und Uhrenindustrie zu decken.